Zu Beginn jeder Steuerrunde geben alle ein Feedback, was in ihrer Abteilung gerade so los ist und wie die Stimmung ist. Am Dienstag meldeten alle zurück, dass es läuft und keine Probleme gibt.
Am Mittwoch lief allerdings diese erste Übung komplett aus dem Ruder. Die Rückmeldungen aus den Abteilungen an diesem Tag sah ganz anders aus. Von Erschöpfung und Frustration war die Rede, unguten Rahmenbedingungen und enormen Belastungen. Es gab Beschwerden über fehlende Unterstützung und es flossen Tränen. Einige Kolleginnen bemerkten erst in der Reflexion in ihrer kleineren Abteilungsrunde, dass sie eigentlich eine Grenze erreicht haben, wo sie nicht mehr gut arbeiten können. Bis dahin dachten sie, sie hätten alles im Griff. Viele dinge, die nicht gut bei uns laufen wurden angesprochen, es wurde Kritik geäußert, auch an Personen. Die Situation war zudem noch erschwert, weil wir nicht in Präsenz, sondern via Zoom im Teamtag waren.
Wir legten eine größere Mittagspause ein. Ich musste in Ruhe nachdenken und sortieren, was hier passiert war.
Nach dem Mittagessen versuchten wir mit genau dieser Frage einzusteigen. Alle waren vom Vormittag erschöpft und tatsächlich auch schockiert, wie sich schlechte Stimmung in kürzester Zeit ihre Bahn gebrochen hatte. Wir beschlossen, den Tag vorzeitig zu beenden.
Mit der Steuerrunde gingen wir im Anschluss noch in eine kurze Reflexion.
In den folgenden Tagen redete ich in der Kita an unterschiedlichen Stellen mit unterschiedlichen Kolleg*innen über diesen Tag. Vor allem mit meiner Leitungskollegin war ich viel im Gespräch. Sie fühlte sich insbesondere betroffen, weil sie die Moderation des Tages übernommen hatte. Auch an uns und unserer Arbeit als Leitungsteam wurde Kritik geübt.
In der folgenden Woche werteten wir in der Steuerrunde erneut den Tag aus. Wieder flossen Tränen. am Ende der Steuerrunde konnten wir jedoch konstatieren, dass der Tag eigentlich genau richtig gelaufen war, auch wenn wir quasi (fast) nichts gemacht hatten, was eigentlich geplant war. Warum? Es war das erste Mal, dass wir offen über Probleme und Schwierigkeiten gesprochen haben. Sowohl, darüber, wie es uns geht und was gerade nicht gelingt, als auch darüber, was uns nicht gefällt. Nur so können wir auch in Veränderungsprozesse gehen. Wenn wir das Kritische nicht transparent besprechen, haben wir keine Chance unser Handeln zu verbessern. Der erste wichtige Schritt ist gemacht. Es hat drei Jahre Auseinandersetzung, Lernen und Vertrauensaufbau gebraucht. Und natürlich müssen wir jetzt weiter daran arbeiten und darauf aufbauen. Und natürlich auch darauf schauen, was uns gut gelingt.
Ergänzung 26.08.2021
Meist bemerkt man Veränderungen ja erst, wenn sie schon passiert sind. Und das durften wir dann im Juli bzw. August erleben. Wir führten wir unsere ersten Teamtage in Präsenz seit anderthalb Jahren durch. Deshalb fand der Tag in zwei Teilgruppen statt, die bunt durcheinander gewürfelt waren. Ich führte nochmal in die Verhaltensampel ein. Ich hatte ein paar Fälle zum Üben vorbereitet. Fälle, die mir im Laufe der vielen Jahre als Fachberaterin begegnet waren. Ich hatte das so vorbereitet, um es leichter zu machen. Aber kaum hatte ich die Ampel erklärt, sagte eine Kollegin: "Ich würde gerne die Situation letztens besprechen und ich wüsste gern, was ich da anders machen könnte." Ehrlich gesagt hätte ich selbst in diesem Jahr nicht gedacht, dass wir an diesen Punkt kommen. Wir haben an diesen Tagen offene und ehrliche Diskussionen geführt und darüber geprochen, wie kritisches Verhalten Erwachsener verändert werden kann und welche Alternativen im Handeln möglich sind.
Nun soll mindestens einmal im Monat in den Abteilungssitzungen die Verhaltensampel in diesem Sinne genutzt werden.