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Letzte Woche hatten wir wieder einen Teamtag. Wir hatten den Tag am Tag vorher in der Steuerrunde vorbereitet. Es sollte um Adultismus und eine Verhaltensampel gehen. Dazu wollten wir zu Beginn ein neues Instrument zur Stimmungsabfrage einführen. Unsere Idee dazu ist, dass das Verhalten von Fachkräften auch von deren psychischer Verfassung abhängig ist.
Zu Beginn jeder Steuerrunde geben alle ein Feedback, was in ihrer Abteilung gerade so los ist und wie die Stimmung ist. Am Dienstag meldeten alle zurück, dass es läuft und keine Probleme gibt. Am Mittwoch lief allerdings diese erste Übung komplett aus dem Ruder. Die Rückmeldungen aus den Abteilungen an diesem Tag sah ganz anders aus. Von Erschöpfung und Frustration war die Rede, unguten Rahmenbedingungen und enormen Belastungen. Es gab Beschwerden über fehlende Unterstützung und es flossen Tränen. Einige Kolleginnen bemerkten erst in der Reflexion in ihrer kleineren Abteilungsrunde, dass sie eigentlich eine Grenze erreicht haben, wo sie nicht mehr gut arbeiten können. Bis dahin dachten sie, sie hätten alles im Griff. Viele dinge, die nicht gut bei uns laufen wurden angesprochen, es wurde Kritik geäußert, auch an Personen. Die Situation war zudem noch erschwert, weil wir nicht in Präsenz, sondern via Zoom im Teamtag waren. Wir legten eine größere Mittagspause ein. Ich musste in Ruhe nachdenken und sortieren, was hier passiert war. Nach dem Mittagessen versuchten wir mit genau dieser Frage einzusteigen. Alle waren vom Vormittag erschöpft und tatsächlich auch schockiert, wie sich schlechte Stimmung in kürzester Zeit ihre Bahn gebrochen hatte. Wir beschlossen, den Tag vorzeitig zu beenden. Mit der Steuerrunde gingen wir im Anschluss noch in eine kurze Reflexion. In den folgenden Tagen redete ich in der Kita an unterschiedlichen Stellen mit unterschiedlichen Kolleg*innen über diesen Tag. Vor allem mit meiner Leitungskollegin war ich viel im Gespräch. Sie fühlte sich insbesondere betroffen, weil sie die Moderation des Tages übernommen hatte. Auch an uns und unserer Arbeit als Leitungsteam wurde Kritik geübt. In der folgenden Woche werteten wir in der Steuerrunde erneut den Tag aus. Wieder flossen Tränen. am Ende der Steuerrunde konnten wir jedoch konstatieren, dass der Tag eigentlich genau richtig gelaufen war, auch wenn wir quasi (fast) nichts gemacht hatten, was eigentlich geplant war. Warum? Es war das erste Mal, dass wir offen über Probleme und Schwierigkeiten gesprochen haben. Sowohl, darüber, wie es uns geht und was gerade nicht gelingt, als auch darüber, was uns nicht gefällt. Nur so können wir auch in Veränderungsprozesse gehen. Wenn wir das Kritische nicht transparent besprechen, haben wir keine Chance unser Handeln zu verbessern. Der erste wichtige Schritt ist gemacht. Es hat drei Jahre Auseinandersetzung, Lernen und Vertrauensaufbau gebraucht. Und natürlich müssen wir jetzt weiter daran arbeiten und darauf aufbauen. Und natürlich auch darauf schauen, was uns gut gelingt. Ergänzung 26.08.2021 Meist bemerkt man Veränderungen ja erst, wenn sie schon passiert sind. Und das durften wir dann im Juli bzw. August erleben. Wir führten wir unsere ersten Teamtage in Präsenz seit anderthalb Jahren durch. Deshalb fand der Tag in zwei Teilgruppen statt, die bunt durcheinander gewürfelt waren. Ich führte nochmal in die Verhaltensampel ein. Ich hatte ein paar Fälle zum Üben vorbereitet. Fälle, die mir im Laufe der vielen Jahre als Fachberaterin begegnet waren. Ich hatte das so vorbereitet, um es leichter zu machen. Aber kaum hatte ich die Ampel erklärt, sagte eine Kollegin: "Ich würde gerne die Situation letztens besprechen und ich wüsste gern, was ich da anders machen könnte." Ehrlich gesagt hätte ich selbst in diesem Jahr nicht gedacht, dass wir an diesen Punkt kommen. Wir haben an diesen Tagen offene und ehrliche Diskussionen geführt und darüber geprochen, wie kritisches Verhalten Erwachsener verändert werden kann und welche Alternativen im Handeln möglich sind. Nun soll mindestens einmal im Monat in den Abteilungssitzungen die Verhaltensampel in diesem Sinne genutzt werden. In dieser Woche habe ich an einer interessanten und inspirierenden Veranstaltung des SFBB (Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin Brandenburg) teilgenommen - dem Führungskräftelabor. Eine ganze Reihe von Menschen, die sich mit Themen der Integralen Organisationsentwicklung, Selbstorganisation und kollegial geführten Teams beschäftigen, haben diesen Tag gestaltet. Diese Themen interessieren mich schon lange, ohne dass ich das in irgendeine Theorie eingebettet habe. Das entstand vielmehr aus meinem schon in der Kindheit ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Diese kindliche Vorstellung von Gerechtigkeit (jede*r muss das gleiche bekommen) hat sich im Laufe meines Lebens verändert hin zu jede*r bekommt das, was er oder sie braucht. Und jeder Mensch hat einen guten Grund für sein Handeln. Hinzu kam recht frühzeitig in meinem Berufsleben die Erfahrung, dass ich als Lehrkraft nicht bestimmen kann, was die Lernenden lernen. Ich kann natürlich Inhalte vorgeben und dann in einem Test abfragen. Ob diese Inhalte jedoch gelernt im Sinne von verinnerlichen wurden, das liegt nicht in meiner Macht. Das entscheidet die lernende Person für sich allein.
Später als Leitungskraft zuerst in einer Kita und dann auf Trägerebene habe ich begriffen, dass das auch auf das Führen von Menschen zutrifft. Egal wie autoritär geführt wird, glücklicherweise endet die Macht, die über Menschen ausgeübt werden kann, an irgendeiner Stelle. Als ich das Buch „Reinventing Organizations“ von Frederic Laloux das erste Mal gelesen habe, konnte ich meine Gedanken und Ideen besser einordnen. Ich war sofort Feuer und Flamme für die Idee einer selbstgeführten Organisation. Im letzten Jahr bin ich in einem Seminar mit dem Titel „Integrale Organisationsentwicklung mit Kopf, Herz und Hand“ mit der großartigen Dozentin Caroline Winning (https://www.carolinewinning.com/) mit der integralen Organisationsentwicklung bekannt geworden. Ich war so inspiriert, wie schon sehr lange nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir in der Kita schon ein halbes Jahr Versuch hinter uns, die Verantwortungsbereiche breiter zu streuen und Entscheidungsprozesse weg von alleiniger Leitungsentscheidung hin zu gemeinschaftlicher Entscheidung zu entwickeln. Im Mai 2020 haben wir in der Kita eine Steuerrunde ins Leben gerufen. Die Idee solch einer Runde hatte ich schon Ende 2019 ins Team gebracht, jedoch keinerlei Resonanz dazu erhalten. Im Mai 2020, nach zwei Monaten Lockdown und mit der Öffnung der Kitas vor unseren augen, bot sich die Gelegenheit, eine Runde einzuberufen, Meine Kollegin uns ich luden aus jeder Abteilung eine Kollegin ein, an der Steuerrunde teilzunehmen. Wir sichteten gemeinsam alle Schreiben zum Thema Wiedereröffnung der Kita, suchten die relevanten Punkte raus und erarbeiteten einen Konzeptentwurf. Diesen stellten wir gemeinsam im Team vor. In einem zweiten Schritt diskutierten wir mit allen den Entwurf, entschieden uns für eine Vorgehensweise und klärten Details. Unser Modell hatte eine hohe Akzeptanz im Team. Von da an behielten wir die Steuerrunde bei. Wir treffen uns einmal in der Woche, besprechen organisatorische Fragen und konzeptionelle Entwicklungen. In meinem Seminar diese Woche traf ich auf Menschen, die sich ebenfalls mit diesen Themen auseinandersetzen und in ihren Einrichtungen ausprobieren. Lars Ihlenfeld und Carola Giese-Brandt, die in einer Hamburger Kita New-Work-Methoden ausprobieren, stellten ihre Arbeit vor. Interessanterweise arbeiten sie nach einem ähnlichen Konzept, wie wir. In solchen Momenten fühle ich mich bestärkt, diesen Weg weiterzugehen. Für mich stellt sich immer wieder die Frage, wie es uns gelingen kann, mehr kollegiale Führung und Selbstorganisation zu installieren, obwohl wir in einer recht steilen Hierarchie eingebettet sind. Das ist eine große Herausforderung. Immer wieder gibt es Vorgaben von oben, auf die wir wenig Einfluss haben und die wir umsetzen müssen. Die Stelle, an der die Entscheidungen der Kolleg*innen einbezogen werden kann, ist die der Umsetzung. Wie soll es gehen? Wo gibt es freie Entscheidungs- und wo Spielräume? Wie können und wollen wir diese nutzen? Derzeit bearbeite ich das Logbuch "Wandel in deiner Organisation integral gestalten vom imu (https://i-m-u.de/). Das ist ein großartiges Arbeitsmittel, um für sich selbst Klarheit zu gewinnen und mit dem Team in die Arbeit zu gehen und zu reflektieren. Leseempfehlungen: Enzler, Stefan/Luger, Monika (Hrrsg.) (2021). Logbuch. Wandel in deiner Organisation integral gestalten. imu Augsburg GmbH & Co. KG Fischermann, Thomas. Sandkasten mit Leadership. Zeit 13/2021, 25.03.2021 Kürzlich sagte eine Kollegin zu mir, dass es Zeit wäre, endlich das Schutzkonzept des Trägers zu bekommen. Sie könne das jetzt nicht auch noch in der Kita machen.
Ich befasse mich seit einigen Jahren mit dem Thema "Schutzkonzept für die Kita", zuerst für meinen vorherigen Arbeitgeber, bei dem es jedoch nie zur Umsetzung kam und dann auf Trägerebene am meinem derzeitigen Arbeitsplatz und natürlich mit Beginn meiner Tätigkeit in der Kita. Im Nachdenken über die Implementierung von Schutzkonzepten habe ich immer besser verstanden, dass institutioneller Kinderschutz keine zusätzliche Aufgabe ist, die wir nun auch noch zu wuppen haben. Betrachten wir Bildungsprogramme und alle gesetzlichen Grundlagen, dann wird die Verbindung deutlich. Erfreulicherweise entwickelt sich unsere Gesellschaft aller Radikalisierungen zum Trotz in Richtung einer Gesellschaft der Vielfalt. Zu verdanken haben wir das all jenen, die laut werden. People of Color, Frauen, LBGTQ, Menschen mit Behinderungen, Umweltaktivist*innen, Menschenrechtler*innen usw. vertreten laut ihre Rechte und die der Diskrimierten und Ausgegrenzten, machen auf alltägliche Diskriminierungen aufmerksam. Auch im frühkindlichen Bereich kommt dieses Thema an. Wir sprechen von vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung, diskriminierungssensibler Pädagogik, Kinderrechten und Partizipation. Verfolgen wir diese Konzepte konsequent, wird schnell klar: sie implizieren auch den Kinderschutz. Mal ganz abgesehen, dass das Recht auf Schutz vor Gewalt eines der Kinderrechte der UN-Kinderrechtskonvention ist, ist es damit allein ja noch nicht getan. Kinder zu demokratischen selbstwirksamen Persönlichkeiten zu erziehen, die auf der Grundlage von ethischen Prinzipien unsere Gesellschaft aktiv gestalten, ist die beste Form von Kinderschutz. Und das ist ja nun anerkannterweise, wenn auch noch nicht bei allen Fachkräften in der Kita endgültig angekommen, Auftrag der frühkindlichen institutionellen Bildung und Erziehung. In allem, was wir Tag für Tag mit Kindern tun, liegt dieser Auftrag. Ob es darum geht, dass ein Kind selbst entscheidet, ob es heute mittags schlafen will (und wir es dann auch nicht mit seiner Entscheidung allein lassen nach dem Motto: Das haste dir doch selber zuzuschreiben, dass du jetzt müde bist. Hättest du mal lieber auf mich, die allmächtige und alleswissende pädagogische Fachkraft, gehört.), schon 12:30 Uhr sein Vesperbrot aus der Tasche holt oder mit Wasser im Bad spielt, äh experimentiert. Immer geht es darum, Kinder in ihren Bedürfnissen, Interessen und Kompetenzen wahrzunehmen und zu stärken. Und damit sie langfristig davor zu schützen, dass andere Menschen die Kontrolle über sie übernehmen. So gesehen ist Kinderschutz in der Kita auch Gesellschaftsschutz. Stellt euch vor, ihr wacht auf und jeder Mensch handelt bewusst und orientiert an ethisch-demokratischen Werten. Welche Chance hätten denn dann noch radikale politische oder religiöse Strömungen, Diktator*innen und Verschwörungstheoretiker*innen. Ich weiß, davon sind wir weit entfernt. Lasst uns trotzdem anfangen. Und so ist der Prozess der Entwicklung eines Schutzkonzepts eingebettet in unseren Alltag. Viele Kitateams nutzen den aktuellen Lockdown, um an ihren Konzeptionen zu arbeiten. Manche arbeiten schon auf hohem Niveau, passen ihr Beschwerdemanagement mit Kindern den aktuellen Bedingungen an. Viele bewegen sich noch viel mehr an den Grundlagen: Wie gestalten wir Mahlzeiten partizipativ? Müssen sich alle Kinder mittags hinlegen? Wie wollen wir als Team arbeiten? In der Beantwortung jeder einzelnen Frage liegen Teile, die zum Kinderschutzkonzept der Kita gehören. Wenn ich von Leitungskräften gefragt werde, was denn ein Schutzkonzept beinhaltet, wollen sie vor allen Dingen wissen, wie sie intervenieren können, wenn es zu Grenzüberschreitungen kommt. (Und sind wir mal alle ehrlich, es kommt ständig zu Grenzverletzungen im Kita-Alltag. Allein die Rahmenbedingungen sind in sich häufig schon eine Grenzverletzung.) Natürlich muss man ein Konzept für diesen Fall haben. Jedoch bilden die Interventionen nur einen geringen Teil des Schutzkonzepts. Viel entscheidender und umfangreicher müssen Überlegungen zum präventiven Arbeiten sein, wie das Etablieren einer Achtsamkeitskultur in der Kita, die geprägt ist von einer offenen Kommunikationskultur, einer Erfahrungskultur, in der positive wie negative Erfahrungen als eine Chance für Entwicklung begriffen und genutzt werden, einer konstruktiven Feedbackkultur, einer systemischen und lösungsorientierten Herangehensweise an Herausforderungen. Getragen werden diese Prozesse von Leitungskräften, die einen demokratisch-ethischen Leitungsstil pflegen und konsequent partizipativ mit ihrem Team arbeiten. Wir als Leitungskraft können von den Fachkräften nicht erwarten, dass sie Kinder am Alltag beteiligen, wenn wir selbst nicht bereit sind, sie an Entscheidungen zu unserem Arbeitsalltag in der Kita aktiv teilhaben zu lassen. Leitungskräfte müssen einen umfassenden Blick auf alle Akteur*innen in und um die Kita haben. In Bezug auf die Kinder ist es ihre Aufgabe, Kindern eine dem Kindeswohl entsprechende Entwicklung ermöglichen, bei bedrohlichen Grenzüberschreitungen für Schutz zu sorgen und Kinder zur Partizipation anzuregen. In der Zusammenarbeit mit dem Team gilt es Beteiligung zu ermöglichen, Mitarbeitende durch Personalentwicklung bestmöglich zu fördern, als Ansprechperson präsent und erreichbar zu sein, Offenheit für die Anliegen der Mitarbeitenden zu haben, für kontinuierliche Besprechungstermine zu sorgen und die Fähigkeit zur Perspektivübernahme zu entwickeln und zu stärken. Für die*den individuellen Mitarbeitende*n geht es um die Gestaltung von Arbeitsbedingungen, in deren Rahmen die pädagogische Arbeit und die eigene Weiterentwicklung der Einrichtung bestmöglich unterstützt werden und das Ermöglichen von Fortbildung und Supervision, und zwar nicht erst im Konfliktfall, sondern als kontinuierliches Angebot zur Selbstreflektion und zum Abbau von Tabus. Im Rahmen der Entwicklung der Organisation ist die bereits erwähnte Entwicklung einer achtsamen Einrichtungskultur notwendig. Eine authentische Einführung und Erhaltung moralischer Werte und Normen und die Entwicklung eines institutionellen Leitbilds unterstützen und tragen diese Kultur. Schließlich und letztendlich ist die Führungskraft Vorbild und zeigt durch eigenes Vorleben, dass all dies nicht nur leere Worthülsen sind. In der Öffentlichkeit vermittelt die Leitungskraft ein klares und transparentes Selbstverständnis der Arbeitsweise und des Leitbildes der Einrichtung. Sie kommuniziert klar und transparent nach außen, auch im Falle von Fehlverhalten innerhalb der Einrichtung. Grundlage all dessen ist, dass die Leitungskraft für sich selbst sorgt und Verantwortung übernimmt. Sie muss achtsam mit den eigenen Ressourcen umgehen, Supervision und/oder Coaching in Anspruch nehmen und Strukturen entwickeln, die es ermöglichen Schwierigkeiten und Probleme nach Möglichkeit vorzubeugen, schnell zu erkennen und sich auf einen angemessenen Umgang vorzubereiten. Das klingt nach einer Menge Aufgaben. Und das ist auch so. Es gibt viel zu tun. Doch all diese Dinge sind keine Aufgaben, die wir als Kitaleitungen nicht sowieso haben, auch wenn viele von uns dem täglichen Dilemma gegenüberstehen, dass verwalterische Aufgaben den Alltag übernehmen und viel zu wenig Zeit für das bleibt, was das Essentielle ist - nämlich die Arbeit mit den Menschen in der Kita, Ich habe vor drei Jahren eine Kita in Berlin übernommen. Von Anfang an war es mein Ziel in der Kita ein Kinderschutzkonzept zu implementieren. In den ersten zwei Jahren haben wir im Team die Grundlagen dafür geschaffen, auch wenn das vielen Fachkräften noch nicht klar war. Im Sommer 2020 beschloss unsere Steuerrunde, die Konzept zu erarbeiten und leistete die Vorarbeit. Im Januar 2021 haben wir den Auftakt gemacht. Ich habe beschlossen, diesen Prozess zu dokumentieren und hier auf dieser Webseite die Öffentlichkeit teilhaben zu lassen. Tada: Transparenz und Öffentlichkeit. Zu finden ist das in der neu geschaffenen Kategorie: Schutzkonzepte in der Kita. Ich freue mich über Rückmeldungen und einen regen Austausch zu diesen Prozessen. Denn schließlich und letztendlich gehört auch das dazu: Wir lernen aus all unseren Erfahrungen und ich persönlich habe immer am meisten im Austausch mit anderen Menschen gelernt. Heute habe ich auf Facebook einen Artikel aus der Zeit gelesen. Ein Vater berichtet von seiner Tochter und über die Folgen der Kitaschließungen. Das hat bei mir Gedanken zu unserem Berufsstand und die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ausgelöst. In diesen Zeiten wird wieder deutlich, welche Bedeutung frühkindlicher Bildung zugeschrieben wird. Bild by Monsterkoi on Pixabay Ich bin ehrlich. Ich freue mich, wenn noch eine Weile weniger Kinder in die Kita kommen. Und zwar nicht, weil ich Angst vor Ansteckung habe, sondern weil wir noch ein bisschen mehr Zeit haben könnten, die Dinge zu tun, zu denen wir im normalen Alltag nicht kommen. Wir haben die letzten Wochen genutzt. Räume auf- und umgeräumt, Sprachlerntagebücher vervollständigt, die Konzeption entwickelt, Akten angelegt und ausgemistet, Schlüssel sortiert und zugeordnet, mit Kolleg:innen ausgetauscht und und und. Und wir haben noch so viel auf unserer Agenda. Die Krippenräume malern, die Aufnahmen der neuen Kinder planen, an unserer Teamentwicklung arbeiten, das Pädagogische Handbuch der Kita weiter bearbeiten, uns selbst weiterbilden, ein Beschwerdemanagement entwickeln, Ideen für einen Krippengarten sammeln und und und. Es sind alles Selbstverständlichkeiten, die wir schon getan und noch vorhaben. Und dennoch ist nie Zeit dafür da. Die letzten Wochen haben uns noch deutlicher vor Augen geführt, wie schlecht es um unseren Beruf steht. Wie hoch die Anforderungen und Erwartungen an uns sind. Von Seiten der Politik, des Trägers, der Eltern, uns selbst. Und wie wenig Zeit uns dafür zugestanden wird. Als würde sich Qualität ganz wie von selbst ergeben. Also ja, ich bin ehrlich, ich wünsche mir mehr Zeit für mein Team. Ich bin ehrlich. Ich freue mich, wenn so bald wie möglich die Kinder zurück in die Kita kommen können. Von Anfang an habe ich mir viele Sorgen um Kinder gemacht. Unsere Kita liegt mitten in einem Brennpunktkiez in Berlin. Viele Familien haben zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen, leben von Transferleistungen, sprechen wenig deutsch, leben in beengten Verhältnissen und und und. Vorschularbeit hat eine andere Dimension. Viele Kinder haben erhöhte Förderbedarfe. Für noch mehr Kinder gibt es keinen offiziellen Status, sie haben nur in einem Bereich besonderen Förderbedarf. Viele Kinder sprechen nicht ausreichend deutsch. Allen Kindern fehlen ihre Freunde und ihre Erzieher:innen, denn sie sind zu wichtigen Bezugspersonen geworden. Manchen Eltern fehlen ihre Erzieher:innen, denn sie sind zu ihren Begleiter:innen geworden. Die Kitakinder sollen als letzte zurück in die Kita dürfen. Das zeigt, welchen Stellenwert unser Berufsfeld hat. Wie ernst frühkindliche Bildung genommen wird. Aller wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Trotz. Eine MSA-Prüfung ist wichtiger als der soziale Kontakt eines Kleinkindes. Also ja, ich bin ehrlich, ich möchte, dass alle Kinder so schnell wie möglich zurück in die Kita kommen. Ich bin keine Expertin in Virologie, Medizin, Politik, Wirtschaft. Und ich bin hin- und hergerissen, was ich mir für die Kita in den nächsten Monaten wünsche. Grundsätzlich und über die nächsten Wochen hinaus ist es endlich an der Zeit, ehrlich unseren Beruf aufzuwerten und die politischen Lippenbekenntnisse auszusparen. Mehr Fachkräfte, besser ausgebildete Fachkräfte, bessere Bezahlung, mehr Zeit für mittelbare pädagogische Arbeiten, vollständig freigestellte Leitungen unabhängig von der Kinderzahl, zusätzliche Sprachfachkräfte für jede Kita, Reinigungspersonal, das in der Kita angestellt ist, Köch:innen, die gesund und frisch kochen, ausreichend Facherzieher:innen für Integration, Zeit für Fortbildungen! Die Liste ist lang und lange nicht vollständig. Es gibt viel zu tun. Packt es endlich an! Link zum Artikel der Zeit: https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-04/kitaschliessung-coronavirus-alleinerziehende-pandemie-lockerung Seit vier Wochen leben wir alle in einer anderen Zeit. Ein Virus bedroht die Welt. Zumindest ist es das, was wir hören. Ob wir nun daran glauben oder nicht, es hat Einfluss auf unser Leben. Auch auf unser Arbeitsleben. Verlassen wie dieser Freizeitpark in Berlin ist auch unsere Kita. Von 115 Kindern betreuen wir nur zwei. Deren Eltern sind in systemrelevanten Berufen tätig und sie müssen arbeiten. Zwei Erzieherinnen betreuen die Kinder und wir als Leitungsteam sitzen im Büro und nutzen die Zeit, Dinge zu tun, die wichtig sind, schon ewig auf unserer Agenda stehen, zu denen wir im normalen Kitaalltag jedoch nie kommen. Das ist die positive Seite der Medaille. Nun nach vier Wochen rückt langsam die Zeit der Wiedereröffnung heran. Wir fragen uns, wie das werden wird. Viele unserer Kinder kennen die Situation, für längere Zeit nicht in der Kita zu sein. Sie fahren im Sommer mit ihren Eltern in deren Heimatländer und verbringen den Sommer mit Oma und Opa, Onkel und Tante, Cousinen und Cousins. Dann kommen sie nach sechs Wochen wieder in die Kita. Und doch ist es ganz anders. Wir als Erwachsene fragen uns, was passiert, wenn von einem Tag auf den anderen aus zwei Kindern 115 werden. Und viele Fachkräfte fragen sich, ob es gefährlich für die eigene Gesundheit ist, mit so vielen Menschen in einem Gebäude zu sein. Denn zu den 115 Kindern kommen noch deren Eltern ins Haus und häufig kommt früh ein Elternteil und am Nachmittag das andere. Eine Menge Leute kommen da zusammen. Und Abstandsregeln sind mit Kindern schwer umzusetzen. Im Tagesspiegel vom 11.04.2020 sind einige Vorschläge für einen langsamen Einstieg zu lesen. Ich halte einiges davon für denkbar und sinnvoll, frage mich aber, wer die Entscheidung darüber treffen wird. Auch ich kann keine ausgefeilten Konzepte präsentieren. Ich habe mir jedoch in den vergangenen Tagen Gedanken dazu gemacht. In der nächsten Woche setzen wir uns in unserer Kita in den einzelnen Abteilungen zusammen und entwickeln ein Konzept für den Wiedereinstieg. Viele Köpfe, viele Ideen ist hier das Motto. Ich habe mir vor allem darum Gedanken gemacht, welche Themen wir unbedingt besprechen sollten. Ich bin gespannt, was meine Kolleg:innen an Ideen mitbringen. Hier vorab meine ersten Fragen:
Ideen, wie wir den Bedarf erfassen Wir haben die Kinder vier, bald fünf Wochen nicht gesehen. Wir wissen nicht, wie es Ihnen ergangen ist. Das wissen aber ihre Eltern, mit denen sie unglaublich viel Zeit verbracht haben. Wir können telefonisch mit den Eltern in Kontakt gehen. Eine Kollegin hat mir berichtet, dass sie in ihrem Leitungsteam mögliche Fragen an die Eltern und an das Team überlegt haben. Fragen an die Eltern:
Fragen an das Team:
Ideen, wie Kinder und Eltern schon vorher mit im Boot sind Die Situation ist für jeden von uns neu. Niemand kann genau sagen, wie sich der Kitaalltag nach der Notbetreuungszeit gestaltet. Wir können auf Erfahrungen nach Kitaschließungen im Sommer beispielsweise zurückgreifen. Und dennoch ist diese Situation eine andere. Menschen gelingt es in aller Regel besser mit einer Situation umzugehen, wenn sie das Gefühl haben, selbst Einfluss auf die Situation zu haben, also dem nicht hilflos ausgesetzt sind. Dies gilt für unsere Kolleg:innen genauso wie für Eltern und Kinder. Daher müssen wir uns im Team gemeinsam Gedanken dazu machen. Hier sind einige meiner Ideen:
Ideen für den Umgang mit Kindern, die sich Sorgen machen oder denen es in den letzten Wochen nicht gut ging Grundsätzlich denke ich, dass es für die Kinder wichtig ist, dass sie den Alltag in der Kita erleben, den sie kennen. Dennoch sollten wir alle besonders sensibel für die Themen der Kinder sein. Vorab können wir im Team in den Austausch darüber gehen, wie wir Fragen von Kindern beantworten und bearbeiten. Wir können gemeinsam Ideen für Angebote diesbezüglich sammeln, um sie im entsprechenden Augenblick parat zu haben. Ebenso sollten wir uns alle nochmal mit den Vorgehensweisen im Kinderschutz vertraut machen.
Ideen rund um Themen wie Gesundheitsvorsorge und Hygiene Ich weiß nicht, wie es in Ihrer Kita ist. Leider muss ich sagen, dass wir immer wieder Probleme mit der Reinigungsfirma und der Sauberkeit in unserer Einrichtung haben. Ähnliches höre ich von vielen anderen Kolleg:innen aus anderen Kitas.
Ideen zur Kommunikation mit Eltern, die wenig oder kein Deutsch sprechen Seit ich in meiner Kita, die in einem Berliner Brennpunktkiez liegt, arbeite, habe ich mich mehr mit dem Thema "Leichte Sprache" auseinandergesetzt. Leider fehlte mir bisher die Zeit, die gewonnen Erkenntnisse umzusetzen. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, dies zu tun. Außerdem können wir auch mehr mit Bildmaterial arbeiten, denn einige unserer Eltern können gar nicht lesen. Eine meiner Kolleginnen hat in der vergangenen Woche zum Beispiel die Eingewöhnung in unserem Haus in Bildern dargestellt.
Ideen, wie und was wir aus der Situation lernen können Der beste Notfallplan ist der, der vor dem Notfall gemacht ist. Das gibt uns Handlungssicherheit, wenn ein Notfall eintritt, auch wenn wir niemals alles vorhersehen können. Daher sollten wir nach dem Notfall den Plan anschauen und anpassen. Die Maßnahmen, die daraus erarbeitet werden, werden mit Sicherheit höchst unterschiedlich sein. In unserem Haus wurde deutlich, dass wir in der Elternschaft nicht ausreichend vernetzt sind und damit nicht alle Eltern einfach erreichen konnten. Das werden wir nun nacharbeiten. Ebenso ist wie gerade schon beschrieben, dies eine Chance, bestimmte Dinge mit Eltern gemeinsam zu überarbeiten (Texte, Vorgehen bei Krankheit...). Ich bin gespannt, welche Ideen und Gedanken meine Kolleg:innen in der nächsten Woche bereithalten und bin sicher, wir können mit einem Plan in die Wiedereröffnung gehen. Wenn sie weitere Ideen oder Fragen haben, freue ich mich über eine Nachricht. Vor ein paar Jahren traf ich ein ehemaliges Kinderladenkind mit seiner Mama. Das Kind war mittlerweile in der siebten Klasse. Die Mutter fragte, ob sie sich an den Kinderladen und an mich erinnere. Zuerst fiel dem Mädchen nichts ein, dann kamen erste Erinnerungen, an die Treppe im Bewegungsraum, das gemeinsame Kochen... Und dann sagte sie: "Und ich hab da so ein Spiel erfunden und gebastelt. Das weiß ich noch. Und weißt du, warum ich das noch weiß? Weil das in meinem Buch steht." Was sie meinte, war eine der ersten meiner Lerngeschichten für ein Kind. Lernen findet tagtäglich statt. Kinder lernen ununterbrochen. Nicht immer ist uns Erwachsenen das bewusst. Und so werden pädagogische Fachkräfte in der Kita noch oft mit der Frage konfrontiert, wann die Kinder endlich anfangen, etwas zu lernen, wann die Vorbereitung auf die Schule beginnt. Viele Eltern erwarten immer noch eine Ergebnispädagogik, so wie sie es selbst in ihrer Kindheit erlebt haben. Eltern soll etwas vorgezeigt werden. Also malen alle Kinder einen Schmetterling und die werden dann ordentlich aufgereiht präsentiert. Meist ist dabei wenig Individualität erkennbar. Es ist lediglich zu sehen, wie geschickt Kinder mit dem Pinsel umgegangen sind oder auch wie viel Lust sie auf Malen hatten. Seit 2004 arbeiten Erzieherinnen und Erzieher in Berlin nach dem Berliner Bildungsprogramm, was eine andere Art von Lernen in der Kita postuliert. Kinder sollen ganzheitlich lernen und entlang ihrer Interessen. Nun, das kennen wir Erwachsene auch. Wenn wir Lust auf etwas haben, geht es uns leicht von der Hand. Sind wir aber gezwungen eine Sache zu tun, zieht sich die Zeit wie Kaugummi. Und nicht anders geht es Kindern. Interessieren sie sich für etwas, vertiefen sie sich und vergessen die Welt um sich herum. Haben sie das auch schonmal bei einem Kind beobachtet? Wie es vertieft in eine Beschäftigung dasitzt und sonst nichts wahrzunehmen scheint. Oder wie es immer wieder eine Sache tut. Solange bis es die Sache durchschaut hat oder beherrscht. Dann verlieren Kinder schnell das Interesse daran und wenden sich einer neuen Sache zu. "Ja, aber, wir wollen sehen, was unsere Kinder in der Kita so tun", sagen viele Eltern zu Recht. Um die Lernprozesse deutlich zu machen, beobachten pädagogische Fachkräfte die Kinder genau. Sie machen sich Notizen und dokumentieren die Lernprozesse im Sprachlerntagebuch (in Berlin) oder im Portfolio. Viele Pädagog:innen bei uns in der Kita nutzen Foto-Lern-Dialoge (http://www.kus-berlin.com/foto-lern-dialog-spielen-erleben-sich-ein-bild-machen/) Lerngeschichten haben mit Foto-Lern-Dialogen gemeinsam, dass sie das Lernen in den Fokus stellen. Die Methode der Lerngeschichten kommt aus Neuseeland. Sie wurde von Margaret Carr entwickelt und von ihren vielen engagierten Kolleginnen verfeinert. Wer Pädagog:innen aus Neuseeland von den Lerngeschichten reden hört, erlebt eine große Liebe zu Kindern und ihrem Lernen. Sie sprechen von magischen Momenten, die sie in ihren Geschichten einfangen. Ein magischer Moment ist ein Moment, in dem Lernen von Kindern deutlich wird. Mir sind Lerngeschichten das erste Mal vor 15 Jahren begegnet. Ich hatte davon gelesen und war begeistert. Zum Glück hatte ich kurz danach die Chance, einige neuseeländische Pädagoginnen auf einem Fachtag zu erleben. Das war einer der inspirierendsten Fachtage. Seither habe ich viele Lerngeschichten geschrieben, für Kinder und auch für Kolleg:innen. Ich habe selber Fortbildungen und Workshops dazu gegeben und Fachkräfte mit meiner Begeisterung anstecken können. Wenn Kinder diese Geschichten hören oder Erwachsene die Geschichten lesen, zaubern sie ein Lächeln auf ihre Gesichter. Während meiner Tätigkeit als Pädagogische Leitung und Fachberatung bei einem kleinen Berliner Kitaträger habe ich versucht, die Lerngeschichten mit den Anforderungen des Berliner Bildungsprogramms in Einklang zu bringen. Da Lerngeschichten ein ressourcenorientieres Beobachtung- und Dokumentationsverfahren ist, ist dies grundsätzlich unkompliziert. Margaret Carr spricht von Lerndispositionen. Meiner Erfahrung nach können wir unproblematisch mit den Lernkompetenzen des Bildungsprogramms arbeiten, ohne eine neue Kategorie aufmachen zu müssen. Als ich anfing Fortbildungen zum Thema zu machen und die Lerngeschichten flächendeckend in den Kitas des Trägers einzuführen, habe ich mich stark an der Methode der Bildungs- und Lerngeschichten des Deutschen Jugendinstituts orientiert. Das ist ein sehr strukturiertes Verfahren. Aber irgendwie schien ich meine Kolleg:innen nicht damit begeistern zu können. Ich war höchst verwundert, haben doch Lerngeschichten bei mir immer viel Freude und Spaß am Dokumentieren hervorgerufen. In Vorbereitung einer neuen Workshopreihe dachte ich intensiv darüber nach, womit das zusammenhängen könnte. Ich versuchte mich zu erinnern, wie ich Lerngeschichten verfasst habe. Und da fiel mir auf, dass ich mich nicht ein einziges Mal an das Verfahren des DJI gehalten hatte und auch, dass es eine zusätzliche Anstrengung bedeutet, wenn sich Fachkräfte zuerst mit dem Konzept der Lerndispositionen vertraut machen müssen. In unserem permanent vollen Alltag, findet sich meist keine Zeit, sich darin zu vertiefen. Jede Fachkraft beobachtet jedoch andauernd Kinder und ein paar kleine Notizen dazu zu machen, gelingt vielen durchaus. Die Kompetenzen aus dem Berliner Bildungsprogramm sind den Fachkräften vertraut. Also warum nicht dieses Wissen und diese Kompetenzen nutzen. Und so habe ich den Kolleg:innen gesagt, vergesst Tabellen und Protokolle, fangt einfach an zu schreiben. Wir haben uns die Geschichten angeschaut und gemeinsam überlegt, was gelungen ist und woran die einzelne Fachkraft noch arbeiten kann. Automatisch entstand so ein Austausch unter den Kolleg:innen über Kinder. Und viele konnten Freude am Dokumentieren entwickeln. Der Dreischritt half dabei, sich immer wieder zu überlegen, ob die Geschichte vollständig war. Individualität war hier erlaubt und erwünscht. Manche schrieben lange Geschichten, andere ganz kurze. Es gab Fotos, Zeichnungen der Kinder. Einige nutzten digitale Medien, andere schreiben mit der Hand. Die Vielfalt der Geschichten zeigen den Charme, den pädagogische Dokumentation haben kann. Eine Lerngeschichte besteht aus drei Teilen: Beobachtung der Situation(en) - Was habe ich gesehen? Interpretation - Welches Lernen habe ich beobachtet? Welche Kompetenzen hat sich das Kind angeeignet/hat es erweitert? In welchen Bildungsbereichen hat es sich bewegt? Nächste Schritte - Welche Ideen habe ich, um das Kind in seinem Lernen zu unterstützen? Im Anschluss an das Schreiben kommt der schönste Moment. Die Geschichte wird gemeinsam mit dem Kind gelesen. Die Fachkraft schaut sich mit dem Kind die Bilder an und beide gehen in einen Austausch über die Geschichte. Die pädagogische Fachkraft kann und soll diesen Dialog dazu schreiben. Sie ist gleichsam ein Teil der Lerngeschichte. Das Kind lernt so, über sein eigenes Lernen nachzudenken und zu reflektieren. Es lernt auch, dass seine eigene Meinung, seine Sicht auf die Welt wichtig ist. Denn dieses Gespräch muss offen für die Sichtweise des Kindes sein. Möglicherweise weicht die Interpretation des Beobachteten durch die Fachkraft von der Wahrnehmung des Kindes ab. Wenn Kinder erleben, dass ihre Stimme gehört wird, ist das ein höchst demokratischer Prozess. Sie erleben, dass sie etwas bewirken können. Sie erleben sich als selbstwirksam. Ich erinnere mich, dass das Mädchen vom Anfang meines Posts damals im Kinderladen sagte: "Nein, das hast du gar nicht richtig geschrieben. Das Spiel geht ganz anders." Gemeinsam hatten wir dann die Spielregeln nochmal neu aufgeschrieben. Was hatte sie davon, dass ich ihr eine Lerngeschichte geschrieben habe? Sie konnte sich noch nach vielen Jahren erinnern, dass sie allein etwas erfunden hatte. Sie hat erlebt, dass Erwachsene ihr zuhören und das sie etwas verändern kann (das Geschriebene). Ihre Kreation war so wichtig, dass sie es wert war, aufgeschrieben zu werden. Sie hat beim Lesen und Betrachten der Fotos die einzelnen Schritte nachvollziehen können und konnte ihre Spielregeln erweitern und verändern. Das Bestärken ihrer kreativen Fähigkeiten hat dazu geführt, dass sie diese Kompetenzen auch später in der Schule ausgebaut hat. Kürzlich habe ich die Mutter wieder gesehen. Das Mädchen geht nun zur elften Klasse und hat Kunst im Leistungsfach. Sie denkt darüber nach, ein künstlerisches Fach zu studieren. Die Mutter ist der festen Überzeugung, dass die Grundlage dafür im Kinderladen gelegt wurde. Was für ein schönes Gefühl, Spuren im Leben eines jungen Menschen hinterlassen zu können. Und die Lerngeschichten hatten daran mit Sicherheit einen kleinen Anteil. Ein Team ist noch lange kein Team, nur weil es so genannt wird. Alle wissen das und dennoch gehen alle davon aus, dass es schon irgendwie geht. Eine meiner wichtigsten Aufgaben als Kitaleitung sehe ich jedoch darin, mit den Menschen in meiner Kita daran zu arbeiten, dass aus unserer Gruppe ein Team wird.
Anfang Mai stehen uns drei intensive Teamtage bevor. Die Planung für diese Tage steht und darum soll es heute in meinem Artikel gehen. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, wo das "Team steht" und wo es hingehen könnte. Welche Methoden können uns alle unterstützen, gemeinsam etwas zu erreichen? In meiner beruflichen Praxis habe ich viele Teams bei der Teamentwicklung begleitet, manche erfolgreich, andere weniger erfolgreich. Jedes Mal habe ich wieder etwas dazu gelernt. Insofern fühle ich mich wohl gerüstet für unsere eigenen Teamentwicklungsprozesse. Was ist anders? Dieses Mal bin ich ein Teil dieses Teams-to-be. Ich bin nicht in der (recht komfortablen) Moderatorinnenfunktion, sondern in der vielbeklagten Doppelrolle: Moderatorin des Prozesses und gleichzeitig Teil des Prozesses mit der besonderen Rolle der Leitung. Das wird eine spannende neue Erfahrung. Dennoch habe ich mich entschieden, auf eine externe Moderation zu verzichten. Denn in erster Linie geht es mir um einen offenen Austausch. Der wiederum erfordert zwingend Vertrauen. Wie sehr das bisher gewachsen ist, wird sich zeigen. Unsere Teamtage werden eine Reise in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Wir beginnen alle Tage mit einem kleinen Warm up zum Ankommen. Nach einer Orientierung für den Tag starten wir am ersten Tag mit einer Erwartungsabfrage. In diesem Falle bitte ich die Teilnehmerinnen, auf eine Moderationskarte zu notieren, was sie in jedem Falle in diesen drei Tage erleben und erreichen wollen und auf eine weitere, was auf keinen Fall passieren darf. In Murmelgruppen können sie sich dazu kurz austauschen und dann sammeln wir gemeinsam die Karten. An den zwei folgenden Tagen werfen wir immer wieder einen Blick auf diese Karten, um zu überprüfen, ob wir den Erwartungen gerecht werden können. Für mich ist diese Abfrage wichtig, um ggf. Abläufe anzupassen und mich darauf einstellen zu können, was die Bedarfe der Gruppe sind. Als vierten Punkt in der Einstiegsphase geht es um die Verabredung von Spielregeln für diese Tage. Ich gebe eine Reihe von Spielregeln vor, die diskutiert, angepasst und ergänzt werden können. Wichtig sind mir dabei vor allem die Punkte: Jede ist für sich selbst verantwortlich. Dahinter steht sowohl, dass ich verantwortlich bin für das, was ich sage und tue als auch für das, was ich nicht sage und tue. Ebenso gilt es "man" und "wir" zu vermeiden und für sich selbst zu sprechen. Verbunden ist damit darüberhinaus die Erlaubnis, sich für oder gegen das Mitmachen bei den einzelnen Punkten zu entscheiden. Manch ein*e Teilnehmer*in hat einen guten Grund, nicht an einer Methode zu beteiligen. Dafür soll sich niemand rechtfertigen müssen. Vergangenheit - Tag 1 Wir beginnen nach dem Einstieg in den Tag mit den Gefühlsmonstern (Wie bin ich hier angekommen?) mit einem 68-Tage-Feedback. Diese Methode (eigentlich 100-Tage-Feedback, aber auf die bringen wir es noch nicht) habe ich bereits mit mehreren Teams ausprobiert und sie hatte den Effekt, dass Teammitglieder, die jeden Tag eng miteinander arbeiten, plötzlich erkennen, dass sie einiges nicht voneinander wussten. Das zu wissen, wäre jedoch für den Arbeitsprozess durchaus hilfreich gewesen. Für dieses Feedback erhält jede*r Teilnehmer*in ein Maßband. (Ich besorge immer die von IKEA. Sie lassen sich unkompliziert beschreiben und sind kostenfrei.) Jede*r beurteilt nun die vergangenen Tage danach, wie er*sie diese Zeit erlebt hat. Stressige, belastende Tage werden mit rot markiert, ruhige und unbelastete Tage mit grün. Weiß bleiben die Tage, die nicht besonders waren oder bei denen ich mich nicht erinnern kann. Zum Schluss sucht sich jede*r zwei Steine aus: einen für DAS Highlight und einen für DEN Tiefpunkt. Diese werden an der jeweiligen Stelle aufgeklebt. Danach gehen die Teilnehmenden in den Austausch über ihr Erleben. In meinem Falle werden sie das in den einzelnen Abteilungen tun. Zum Abschluss gehen wir in der Gesamtgruppe auf der Metaebene in den Austausch: Gab es Überraschungen? Welche Erkenntnisse wurden gewonnen? Welche Schlussfolgerungen ziehen wir ggf. aus dieser Übung? Danach gehen wir in die Übung der "Baummenschen". Auf einem Arbeitsblatt ist ein Baum dargestellt, auf dem sich in unterschiedlichen Postionen kleine Männeken befinden. Jede*r Teilnehmende markiert einen Menschen für seine Position im Team in der Vergangenheit, einen für die Gegenwart und einen für die Zukunft (Wunsch). anschließend können die Teilnehmenden mit denen in den Austausch gehen, mit denen sie sich darüber austauschen wollen. In einem dritten Schritt finden sich auf freiwilliger Basis Gruppen zusammen (Paare, zu dritt). Jede Gruppe nimmt sich grüne und rote Moderationskarten und Stifte mit. Aufgabe ist es, gemeinsam einen Spaziergang zu machen und zu überlegen: Was ist in der Vergangnenheit in unserem Team gut gelaufen und ist deshalb erhaltenswert? - Das wird auf die grünen Karten geschrieben. Was ist nicht so gut gelaufen?/Welche Konflikte gab/gibt es, die wir nicht bearbeitet haben?/Was belastet mich noch? - Das wird auf die roten Karten geschrieben. Anschließend kommen alle wieder zusammen und schauen gemeinsam zuerst die roten Karten an. Ggf. gehen wir in den Austausch über die Karten. Hier gilt wieder, dass nur das angesprochen werden soll und muss, was der/die Einzelne ansprechen will. Wenn der Austausch zu den roten Karten beendet ist, entscheidet das Team gemeinsam, was mit den roten Karten passieren soll. Sollen sie vernichtet werden? Oder bleiben sie erhalten, weil sie auch ein Teil der gemeinsamen Vergangenheit sind? Zum Abschluss dieses Tages schauen wir auf die grünen Karten. Nachdem jede*r Teilnehmende/Gruppe die Karten vorgestellt hat, clustern alle gemeinsam. Das Clustern löst oft nochmal neue Gespräche zu den einzelnen Themen aus und es wird häufig deutlich, wo es Übereinstimmungen gibt und wo Unstimmigkeiten. Entsprechend kann mit den grünen Karten dann später weitergearbeitet werden. Zum Ende des Tages führen wir ein kleines Tagesfeedback durch, einmal in der Runde zur Zusammenarbeit an diesem Tag. Zum anderen an einem Flipchart zur Moderation des Tages, also für mich persönlich. Gegenwart - Tag 2 Einstieg in den Tag ist eine kurze Assoziation zu auf dem Boden liegenden Karten. Nun soll mit dem Blick auf die gesammelten Karten vom Vortag auf die Arbeitsorganisation im Haus geschaut werden. Was klappt gut bei uns? Machen wir davon mehr! Was wollen wir dringend ändern? Wir werden viel in die Diskussion gehen. Methodisch lasse ich mir hier Offenheit, denn ich muss an den Vortag anknüpfen. Vorbereitet habe ich Flipcharts zu Kommunikationsthemen (vier Seiten einer Botschaft, Ich-Botschaften, GFK..), denn die Kommunikation im Team sehe ich als eine große Herausforderung. Am Nachmittag soll es nochmal um die einzelnen Person gehen. Vorbereitet ist ein Fragebogen zu der eigenen Berufsbiografie, dem Weg bis hierhin und den eigenen Wünschen für die Gegenwart und Zielen in der Zukunft. Im Anschluss habe ich einen Austausch angedacht und halte mir ansonsten die methodischen Möglichkeiten offen, um adäquat auf die Bedürfnisse der Gruppe eingehen zu können. Zukunft - Tag 3 Während wir die ersten beiden Tage in anderen Räumen verbringen, werden wir am dritten Tag in unserer Kita sein. Ich habe eine Kunsttherapeutin eingeladen, die mit uns gemeinsam ein Teammalen veranstaltet. Angekündigt habe ich den dritten Tag als einen entspannten Tag mit Spielen. Zu Beginn bekommen die Abteilungsteams die Aufgabe, Teammandalas zu erstellen und zwar lebendige Mandalas. Das heißt, sie können sich selbst, einzelne Körperteile nutzen, um ein Mandala zu kreieren. Außerdem machen wir Fotos für unseren Eingangsbereich. Gegen 9:00 Uhr kommt die Kunsttherapeutin. Sie bringt eine 3m lange Leinwand mit und diese werden wir gemeinsam gestalten. Zum Abschluss der drei Tage grillen wir zusammen und machen uns eine gemütliche Tafel. Lerngeschichte für T Lieber T, als ich vor ein paar Tagen an eurem Badezimmer vorbeikam, hast du mich aufgeregt hineingeholt. „D blutet ganz doll!“, hast du gerufen. Ich bin schnell dazu gekommen und war erleichtert, dass das Bluten schon aufgehört hatte. „A hat D an die Couch geschubst.“, hast du mir berichtet. D war sehr traurig, weil seine Lippe wehtat. Ich habe euch dann gebeten, mit mir gemeinsam zu A zu gehen, um die Sache zu klären. Du warst sehr besorgt um D und hast ihn gefragt, ob es ihm wieder gut gehen würde. Im Traumzauberraum haben wir dann die Sache geklärt. Jeder von euch hat erzählt, was passiert war. Ihr wart euch da einig. A sagte, er hat aber „Entschuldigung“ gesagt. Du hast das bestätigt. D fand, dass sich A nochmal richtig mit der Hand entschuldigen soll und danach wollte er eine Umarmung zum Zeichen, dass sie wieder Freunde sind. A war einverstanden. Er entschuldigte sich. Als sich die beiden umarmen wollten, hast du gerufen: „Ich muss auch mitmachen! Ich war ja auch dabei.“ Das war für beide Jungs in Ordnung. Und so habt ihr euch alle drei umarmt. Lieber T, ich habe schon häufiger gesehen, wie liebevoll du dich um andere Kinder kümmerst. Ich war sehr beeindruckt, wie du dich um D gekümmert hast, aber auch dafür sorgen wolltest, dass die beiden Jungs ihren Streit klären. Du hast ein gutes Gespür dafür, wenn es anderen Kindern nicht gut geht oder sie Hilfe brauchen. Du möchtest dafür sorgen, dass es anderen Kindern wieder gut geht. Wenn nötig, weißt du, bei wem du Hilfe holen kannst und du holst sie auch. Ich finde das sehr wichtig, dass ihr Kinder aufeinander achtet und freundlich miteinander umgeht. Du hast bei unserem Gespräch darauf geachtet, dass alle die Wahrheit sagen und dass alles so berichtet wird, wie es auch passiert ist. Ich kann mir vorstellen, dass du ein sehr guter Streitschlichter sein kannst. Du kannst anderen Kindern helfen, ihren Streit zu besprechen und sich wieder zu vertragen. Vielleicht besprechen wir mal gemeinsam mit den anderen Kindern in deiner Gruppe und deinen beiden Erzieher*innen E und S, ob und wie du den Kindern in deiner Gruppe bei der Klärung eines Streits behilflich sein kannst. Wenn du willst, erzähle ich dir gern mehr darüber. Lieber T, vielen Dank bei der Unterstützung, den Streit zwischen D und A zu schlichten. Das war ein sehr schönes Erlebnis für mich. Eine Situation, wie sie zigmal am Tag in einer Kita vorkommt. Zwei oder mehr Kinder geraten in Streit über ein Spielzeug, einen Freund, eine andere Meinung ... In aller Regel eilen Erzieher*innen hinzu und bemühen sich, den Streit zu schlichten und nicht eskalieren zu lassen. Oft wissen sie dabei nicht, was genau passiert ist, wer angefangen hat, wer was getan hat. Häufig urteilen Erwachsene aufgrund ihres Umweltwissens. "Ah, der Max ist wieder beteiligt. Na, der haut ja ständig die anderen Kinder." - Logische Schlussfolgerung: Der Max war bestimmt mal wieder der Verursacher des Streits. Was ist möglicherweise in Wirklichkeit passiert? Max hat einen Turm gebaut. Pawel ist vorbeigekommen und hat den Turm umgestoßen. Daraufhin ist Max wütend geworden und hat Pawel einen Stein an den Kopf geworfen. Nun blutet Pawel und weint. ... Was hier recht eindimensional dargestellt ist, ist in Wirklichkeit im wahren Leben noch viel komplexer und noch weniger durchschaubar. Wer ist hier der Verursacher? Der Schuldige? Max, weil er den Baustein geworfen hat? Pawel, weil der den Turm umgeworfen hat. Eine Frage, die sich auf den ersten Blick sehr schwer klären lässt. Und wie ist nun die richtige Lösung? Wer muss was tun, damit der Konflikt aus der Welt geschafft werden kann? Wer entscheidet, was hier zu tun ist? Max? Pawel? Der*ie Erwachsene? Wenn wir uns mit Streitschlichtung oder Mediation befassen, gilt es all diese und weitere Fragen zu beantworten. Ist es eigentlich wichtig, herauszufinden, wer der*ie Schuldige in einem Streit ist? Ist es nicht vielmehr so, dass es Beteiligte an einem Streit gibt und letztlich jede*r einen Anteil hat? Wir haben immer unsere eigene Perspektive auf die Wirklichkeit. Und das ist unsere Wahrheit. Und wer kennt die richtige Lösung? Ein* Außenstehende*r? Oder möglicherweise die am Streit Beteiligten? Wenn ich selbst in einem Konflikt war, dann waren die Lösungen, die ich mir selbst erarbeitet habe, die nachhaltigsten. Der erste Schritt ist also, dass die Erwachsenen in der Kita, die Erzieher*innen oder Bildungsbegleiter*innen sich mit ihrem eigenen Bild von Streitschlichtung auseinandersetzen, mit ihrer Rolle in der Kita, mit ihren Werten und Normen. Begreife ich mich als Begleiterin, die Kinder dabei unterstützt, ihre eigenen Lösungen zu finden, dann muss ich auch bei der Schlichtung eines Streits anders agieren als bisher gewohnt. Es geht nun nicht mehr um Intervention, um eine absolute Wahrheit der Erwachsenen, sondern um die Anerkennung von Perspektiven, unterschiedlichen Wahrnehmungen und die Lösungsfindung in der Hand der Kinder. Letzteres hat auch etwas mit Aushalten zu tun. Nämlich auszuhalten, wenn die Lösung eine komplett andere ist, als mir als Erwachsener sinnvoll erscheint. Möglicherweise ist sie extrem unkonventionell. Oder ich vermute eine zu geringe Nachhaltigkeit aufgrund meiner größeren Lebenserfahrung. Es gilt also, sich eine Haltung zu diesen Themen zu erarbeiten, die geprägt ist von einem sehr modernen frühpädagogischen Bildungs- und Erziehungsbegriff, das Kind als kompetent für seine eigenen Belange anzuerkennen und ihm die Lösung seiner Probleme zuzutrauen. Bei der Mediation grundsätzlich und der Mediation von Konflikten unter Kinder sind folgende Voraussetzungen wichtig: Professionelles Beobachten Pädagogische Fachkräfte müssen über sehr gute Beobachtungsfähigkeiten verfügen. Dazu gehört eine zurückhaltende Haltung. Häufig gewinnen wir durch intensivere Beobachtung interessante Erkenntnisse über Dynamiken in Gruppen und im Verhalten der Kinder. Wenn die Fachkraft aushält, eher die Beobachterin zu sein, wird sie ein tieferes Verständnis in die Beweggründe für Verhalten und mit Sicherheit so einige neue Einsichten über Ursachen von Gruppenprozessen gewinnen. Allparteilichkeit Bei der Mediation nimmt der*ie Mediator*in eine allparteiliche Haltung ein. Es geht nicht um die Feststellung der einen Wahrheit, sondern die Wahrnehmung und Anerkennung der unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten. Die jeweilige Perspektive ist für den jeweiligen Konfliktpartner eben die richtige. Die pädagogische Fachkraft hat bei der Mediation die Aufgabe, diesen unterschiedlichen Perspektiven Raum zu geben. Kinder beginnen in der Regel im Alter von vier Jahren, anderen Menschen und sich selbst kognitive Zustände zuzuschreiben, die von der Wirklichkeit abweichen können. Es ist das Alter, in dem Kinder das Konzept von Lügen verstehen und absichtlich nutzen, um zu verwirren. Sie entwickeln ein Verständnis dafür, dass ein Gegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven unterschiedlich aussehen kann.(Quelle: https://www.psych.uni-goettingen.de/de/development/pdfs/Esken-Rakoczy-ToM_2013.pdf, Zugriff: 08.04.2018). Sie sind also erst dann dazu in der Lage, einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Und dann sind sie noch im Lernprozess! Anerkennen der Eigenverantwortlichkeit der Kinder Verantwortlich für die Lösung ist nicht der*ie Mediator*in, sondern es sind die Kinder, die diese Lösung finden müssen. Der*ie Mediator*in ist aber für den Prozess verantwortlich, dafür, dass jede*r zu Wort kommt, jede*r gehört wird und alle an der Lösungsfindung beteiligt sind. "... nicht jeder Konflikt muss detailliert aufgearbeitet werden und nicht in jeden Streit müssen sich Erzieherinnen einmischen. Es geht vielmehr um ihre Einstellung und Haltung zu Konflikten und darum, Kindern zu ermöglichen, selbst eine Lösung zu finden - was ihnen erfahrungsgemäß häufig gelingt. Die Lösungen der Kinder sind oft fantasievoll und ungewöhnlich. Wichtig ist, sie nie zu werten oder in Frage zu stellen. Die Problemlösung der Kinder muss nicht die Lösung der Erzieherin sein." (Quelle: https://www.herder.de/kiga-heute/fachmagazin/archiv/2011-41-jg/1-2011/kinder-schlichten-streit/, Zugriff: 08.04.2018) Ergebnisoffenheit Mediation muss ergebnisoffen sein. Wenn die Lösung schon vorher klar ist und der*ie Mediator*in nur darauf hinarbeitet, dann sind die Beteiligten ungenügend in die Lösungsfindung involviert und die Motivation für eine nachhaltige Streitschlichtung ist geringer. In Kitas beobachte ich immer wieder, dass die gängige Lösung eine Entschuldigung ist. Kinder werden dazu aufgefordert, sich zu entschuldigen, damit alles vergessen ist. Häufig habe ich dabei den Eindruck, dass die Entschuldigung ein Automatismus und nicht eine bewusste Entscheidung ist. Ich frage mich, wie viel diese Entschuldigung dann wert ist. Kinder haben oft ganz andere Vorstellungen, was die Sache wieder gut macht. Und oft sind diese Vorstellungen überraschend. Bevor sich also ein Kitateam auf den Weg machen sollte, Streitschlichter in der Kita einzusetzen und Mediation zur Konfliktschlichtung zu nutzen, müssen die pädagogischen Fachkräfte sich also mit ihrer eigenen Haltung, ihren Werten und Normen auseinandersetzen. Dabei kann es nicht darum gehen, eine Haltung zu verordnen. Haltung ändert sich nicht von heute auf morgen. Und dieser Prozess kann auch nicht von außen gesteuert werden. Wenn die Fachkräfte eines Teams sich diesem Thema widmen wollen, ist das eine gute Voraussetzung für einen gelingenden Prozess. Aus meiner Erfahrung heraus, ist es sinnvoll, der Auseinandersetzung um die Haltung der pädagogischen Fachkräften, das Bild vom Kind und von frühkindlicher Erziehung und Bildung viel Zeit und Raum einzuräumen, bevor in einem Team tiefgreifende Veränderungsprozesse angestoßen werden. Sonst läuft das Team Gefahr, oberflächliche Vereinbarungen zu treffen, die von Einzelnen nicht getragen und dann im Alltag bewusst oder unbewusst unterlaufen werden. So scheitern häufig gute Ideen in der Umsetzung. Und das führt langfristig zu enormen Frustrationen im Team. Die Geschichte um T vom Anfang des Artikels kann ein Anlass sein, im Team das Konzept von Streitschlichtung mit Kindern zu thematisieren und zu diskutieren und sich mit der Haltung der pädagogischen Fachkräfte zu diesem Thema auseinanderzusetzen. Im zweiten Teil der Reihe "Wenn Kinder streiten - Mediation mit Kindern in der Kita" geht es um die Erarbeitung eines Streitschlichtungskonzepts mit den Kindern. Nach drei Wochen in meinem neuen Job stellt sich schon die Frage, ob ich richtig bin in diesem Unternehmen. Oder soll ich vielleicht einfach nur anders sein? Eine Andere? Mit anderem Verhalten?
Der Chef hat die Frage nach meiner Wirkung auf andere Menschen in den Raum gestellt und problematisiert. Der Grund: Ich zeige zu wenig Demut und bin nicht ausreichend devot. Die wohlwollende Empfehlung lautet: "Seien Sie leise, bringen Sie sich weniger ein. Sie exponieren sich zu sehr. In zwei Jahren können Sie das alles machen. Dann können Sie sich das erlauben." Ich zweifele nicht im Geringsten seine Erfahrungen, seine Kenntnis des Unternehmens und des Systems, in dem die Menschen agieren, an. Ich nehme ihm ab, dass er nur mein Bestes will. Die Frage, die sich mir stellt, ist doch folgende: Will ich Teil eines Systems sein, dass von mir erwartet, leise zu sein, meine Kompetenzen und mein Wissen nicht zu offensiv zu zeigen, mich zurückzuhalten, mich nicht zu sehr und zu engagiert einzubringen? Was muss ich denn tun, um dieser Anforderung gerecht zu werden? Soll ich bei der Einführung in die PC-Nutzung einfach geduldig zuhören, wenn mir erklärt wird, wie man einen PC einschaltet, dass ich nicht auf das Admin-Kästchen drücken darf, weil ich da kein Passwort weiß, wenn ich doch in meinem Lebenslauf bereits angegeben habe, über hervorragende PC-Kenntnisse unterschiedlichster Art zu verfügen? Verprelle ich damit den IT-Mann, wenn ich ihn freundlich auf das hinweise, was ich schon weiß und kann? Darf ich in einer AG zu einem Thema, in dem ich Expertin bin, besser nichts einbringen, weil ich neu bin? Darf ich in der Runde der Leitungen meine Meinung zu einem Thema, das diskutiert wird, nicht sagen, weil ich erst seit zwei Wochen hier arbeite? Ein selbstständig denkender und unabhängig arbeitender Mitarbeiter ist anstrengend, eine intelligente und starke Frau zusätzlich eine Bedrohung? Eine intelligente und starke Frau eine Bedrohung! Wer bin ich? Wer soll ich in diesem Setting sein? Und geht das überhaupt, eine zu sein, die nur auf eine bestimmte Art und Weise gewollt wird? Wer bin ich? Ich bin eine fachlich hervorragend aufgestellte, hochqualifizierte Frau, die emphatisch agiert, über Fähigkeiten und Fertigkeiten aus der systemischen Beratungstätigkeit verfügt, analytische Fähigkeiten besitzt, schnell Zusammenhänge herstellen und Schlüsse für weiteres Handeln daraus ziehen kann. Kommunikation, Wertschätzung und Kritikfähigkeit sind in meinem Handeln nicht nur Worthülsen. Ich bin chaotisch, mein Schreibtisch versinkt nur deshalb nicht im Chaos, weil ich ihn mit meiner stellvertretenden Leitung teile. Ich schiebe Dinge, vor allem die unangenehmen, gern bis zur allerletzten Möglichkeit auf. Ich gehe immer davon aus, dass jeder für sein Handeln einen guten Grund hat. Ich bin sehr gut in der Lage, mich in die Perspektive meines Gegenübers zu versetzen und Verständnis auch ohne Akzeptanz aufzubringen. Die Grenzen meiner Toleranz sind weit gesetzt. Ich bringe Menschen Vertrauen entgegen, gelegentlich ein wenig zu viel. Ich schaffe es meist, auch trotz Verärgerung, Ressourcen bei dem Anderen zu erkennen. Ich bin sensibel und nehme mir oft die Dinge sehr zu Herzen. Ich habe Vorurteile. Ich mache mir meine Vorurteile bewusst. Ich weiß, was ich kann und weiß. Ich weiß, was ich nicht kann und nicht weiß. Wer soll ich sein? Was wird von der Neuen erwartet? Demut und Devotismus, zumindest in einem gewissen Grade. An Regeln halten, die ich nicht kenne und die mir keiner erklärt hat. Jede Erwartung von jedem erfüllen, dabei aber zurückhaltend mit meinen sein. Leise sein, unauffällig sein. Zurückhalten. Einfügen. Abwarten. Taktieren. Protegieren lassen. Hinnehmen. Ein Porsche sein, der weiß, dass er 180 fahren kann auf der achtspurigen Autobahn, aber hinnehmen, dass der Verkehr zähflüssig ist. Und? - Geht das? Als Porsche auf der Autobahn mit zähflüssigem Verkehr habe ich doch drei Möglichkeiten. Eins: Mich der zähen Masse anpassen und treiben lassen. Zwei: Lücken suchen, springen. Mich und andere gefährden bei der wilden Suche nach Schnelligkeit. Drei: Die Fenster schließen, die Musik laut aufdrehen, mitfahren mit dem zähen Strom bis die nächste Ausfahrt kommt. Im Augenblick scheint mir Nummer drei als einzige wirkliche Alternative. Ich konzentriere mich auf meinen engsten Arbeitskreis, die unmittelbarsten Aufgabengebiete. Da gibt es viel zu tun. Und gleichzeitig konzentriere ich mich auf meine fachliche Entwicklung und Möglichkeiten, das umzusetzen, was mich am meisten erfüllt. Ich will keine Andere sein. Ich bin gut so wie ich bin. Meine Stärken, mein Mut, meine Leidenschaften und meine Liebe tragen mich im Leben. Und das vergesse und verleugne ich nicht. |
Autorin
Kati Nguimba arbeitet seit 28 Jahren als Dozentin in der Erwachsenenbildung und seit 18 Jahren in der Frühpädagogik als Erzieherin, Kitaleitung und Fortbildnerin und Fachberatung. Sie hat ein breites Angebotsspektrum. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen der Organisationsentwicklung, Teamentwicklung, Beobachtung und Dokumentation und Kinderschutz. Sie ist Multiplikatorin der internen Evalautation nach dem Berliner Bildungsprogramm (seit 2010), Multiplikatorin im Kinderschutz (seit 2010) und insofern erfahrene Fachkraft im Kinderschutz (seit 2018). Archives
August 2021
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