Verlassen wie dieser Freizeitpark in Berlin ist auch unsere Kita. Von 115 Kindern betreuen wir nur zwei. Deren Eltern sind in systemrelevanten Berufen tätig und sie müssen arbeiten. Zwei Erzieherinnen betreuen die Kinder und wir als Leitungsteam sitzen im Büro und nutzen die Zeit, Dinge zu tun, die wichtig sind, schon ewig auf unserer Agenda stehen, zu denen wir im normalen Kitaalltag jedoch nie kommen. Das ist die positive Seite der Medaille.
Nun nach vier Wochen rückt langsam die Zeit der Wiedereröffnung heran. Wir fragen uns, wie das werden wird.
Viele unserer Kinder kennen die Situation, für längere Zeit nicht in der Kita zu sein. Sie fahren im Sommer mit ihren Eltern in deren Heimatländer und verbringen den Sommer mit Oma und Opa, Onkel und Tante, Cousinen und Cousins. Dann kommen sie nach sechs Wochen wieder in die Kita.
Und doch ist es ganz anders. Wir als Erwachsene fragen uns, was passiert, wenn von einem Tag auf den anderen aus zwei Kindern 115 werden. Und viele Fachkräfte fragen sich, ob es gefährlich für die eigene Gesundheit ist, mit so vielen Menschen in einem Gebäude zu sein. Denn zu den 115 Kindern kommen noch deren Eltern ins Haus und häufig kommt früh ein Elternteil und am Nachmittag das andere. Eine Menge Leute kommen da zusammen. Und Abstandsregeln sind mit Kindern schwer umzusetzen. Im Tagesspiegel vom 11.04.2020 sind einige Vorschläge für einen langsamen Einstieg zu lesen. Ich halte einiges davon für denkbar und sinnvoll, frage mich aber, wer die Entscheidung darüber treffen wird.
Auch ich kann keine ausgefeilten Konzepte präsentieren. Ich habe mir jedoch in den vergangenen Tagen Gedanken dazu gemacht.
In der nächsten Woche setzen wir uns in unserer Kita in den einzelnen Abteilungen zusammen und entwickeln ein Konzept für den Wiedereinstieg. Viele Köpfe, viele Ideen ist hier das Motto. Ich habe mir vor allem darum Gedanken gemacht, welche Themen wir unbedingt besprechen sollten. Ich bin gespannt, was meine Kolleg:innen an Ideen mitbringen.
Hier vorab meine ersten Fragen:
- Wie können die Kinder bei uns wieder gut ankommen? Wie können wir Eltern und Kinder schon jetzt ins Boot holen?
- Wie können wir Hygienevorschriften besser einhalten? Und welche Vorschriften sind jetzt besonders wichtig?
- Wie können wir Kinder auffangen, denen es in den letzten Wochen nicht gut ging oder die wegen des Virus Ängste haben?
- Wie können wir für unsere eigene gesundheitliche Sicherheit und die der Kinder sorgen? Wie können Abstandsregeln in den Bringe- und Abholzeiten eingehalten werden?
- Wie gehen wir mit Kindern um, die mit Krankheitssymptomen in die Kita kommen? Ähnliches gilt für Kinder, deren Eltern(teile) und/oder Geschwister in Quarantäne sind.
- Wie kommunizieren wir wichtige Regeln an Eltern, die wenig oder kein Deutsch sprechen?
- Was ist uns deutlich geworden, woran wir besser arbeiten müssen, sollte eine ähnliche Situation noch einmal auf uns zukommen?
Ideen, wie wir den Bedarf erfassen
Wir haben die Kinder vier, bald fünf Wochen nicht gesehen. Wir wissen nicht, wie es Ihnen ergangen ist. Das wissen aber ihre Eltern, mit denen sie unglaublich viel Zeit verbracht haben. Wir können telefonisch mit den Eltern in Kontakt gehen. Eine Kollegin hat mir berichtet, dass sie in ihrem Leitungsteam mögliche Fragen an die Eltern und an das Team überlegt haben.
Fragen an die Eltern:
- Wie geht es den Eltern und ihrem Kind?
- Wie haben sie in den letzten Wochen die Zeit zusammen verbracht.
- Wie schätzen die Eltern ein, ob und welche Probleme ihr Kind haben könnte?
Fragen an das Team:
- Welchen Kindern fällt der Kitabesuch nach einer längeren Pause normalerweise eher leichter (zum Beispiel nach der Sommerschließzeit)?
- Wer hat im normalen Kitabetrieb Schwierigkeiten?
- Welche Kinder sind noch nicht lange bei uns? Können wir eine kleine neue Eingewöhnung mit diesen Kindern machen? Wie kriegen wir das organisatorisch hin?
Ideen, wie Kinder und Eltern schon vorher mit im Boot sind
Die Situation ist für jeden von uns neu. Niemand kann genau sagen, wie sich der Kitaalltag nach der Notbetreuungszeit gestaltet. Wir können auf Erfahrungen nach Kitaschließungen im Sommer beispielsweise zurückgreifen. Und dennoch ist diese Situation eine andere.
Menschen gelingt es in aller Regel besser mit einer Situation umzugehen, wenn sie das Gefühl haben, selbst Einfluss auf die Situation zu haben, also dem nicht hilflos ausgesetzt sind. Dies gilt für unsere Kolleg:innen genauso wie für Eltern und Kinder. Daher müssen wir uns im Team gemeinsam Gedanken dazu machen.
Hier sind einige meiner Ideen:
- Eltern vorab kontaktieren und befragen, was ihnen wichtig ist
- Kindern eine Aufgabe schicken, die sie vorab lösen sollen, um das Thema Kita wieder in ihre Erlebniswelt zu bringen (z.B. auf einem Spaziergang etwas für eine gemeinsame Collage in der Kita zu sammeln, ein Bild von einem schönen Erlebnis während der letzten Wochen zu malen, mit den Eltern aufschreiben, wie sie gemeinsam die Zeit verbracht haben...)
- Elternvertretung zu einer Videokonferenz bitten und mit ihnen wichtige Themen verabreden
Ideen für den Umgang mit Kindern, die sich Sorgen machen oder denen es in den letzten Wochen nicht gut ging
Grundsätzlich denke ich, dass es für die Kinder wichtig ist, dass sie den Alltag in der Kita erleben, den sie kennen. Dennoch sollten wir alle besonders sensibel für die Themen der Kinder sein. Vorab können wir im Team in den Austausch darüber gehen, wie wir Fragen von Kindern beantworten und bearbeiten. Wir können gemeinsam Ideen für Angebote diesbezüglich sammeln, um sie im entsprechenden Augenblick parat zu haben.
Ebenso sollten wir uns alle nochmal mit den Vorgehensweisen im Kinderschutz vertraut machen.
- Wie reagieren wir, wenn Kinder von beunruhigenden Dingen zu Hause erzählen, von physischer, psychischer oder sexueller Gewalt, wenn Kinder sich anders verhalten?
- Welche anderen Erklärungen könnte es für ein verändertes Verhalten noch geben?
- Wie gehen wir mit den Eltern ins Gespräch darüber?
- Wie tauschen wir uns im Team darüber aus?
Ideen rund um Themen wie Gesundheitsvorsorge und Hygiene
Ich weiß nicht, wie es in Ihrer Kita ist. Leider muss ich sagen, dass wir immer wieder Probleme mit der Reinigungsfirma und der Sauberkeit in unserer Einrichtung haben. Ähnliches höre ich von vielen anderen Kolleg:innen aus anderen Kitas.
- Wie können wir dennoch mit der Reinigungsfirma in Kontakt gehen, um eine gründlichere Reinigung abzusichern?
- Welche Aufgaben können und müssen wir im Tagesablauf übernehmen (zusätzliche Desinfektion von Toiletten, Türklinken und Treppengeländern).
- Gibt es eine besondere Anforderung im U3-Bereich?
- Wie thematisieren wir mit Kindern Hände waschen, Nies- und Husteknigge usw.?
- Wie gehen wir mit Kindern um, die mit Krankheitssymptomen in die Kita kommen bzw. bei denen Teile der Familie in Quarantäne sind? Wie können wir die Regeln von Anfang an den Eltern öffentlich machen? Beziehen wir die Elternvertretung in der Festlegung der Regeln mit ein? (siehe Videokonferenz mit der Elternvertretung)
- Wie können wir diese Situation zum Anlass nehmen, um gemeinsam mit der Elternvertretung z.B. die Regeln zum Umgang mit Krankheiten in der Kita zu überarbeiten? Welche anderen Dinge sollten wir gemeinsam mit den Eltern überarbeiten?
- Das große Thema Schutzkleidung: Ist es sinnvoll in der Frühpädagogik mit Mundschutz zu arbeiten? Wie gehen wir mit möglichen Ängsten von Kolleg:innen um?
- Wie organisieren wir die Bringe- und Abholzeiten? In diesen Zeiten befinden sich viele Menschen im Haus. Neben den 115 Kindern kommen ja auch deren Eltern oder ältere Geschwister ins Haus. Fragen werden geklärt usw. usf. Ich habe in einem Austauschforum von Kitaleitungen von der Idee gelesen, die Kinder in Gruppen einzuteilen und so abzusichern, dass sich immer nur kleine Gruppen in der Kita befinden.
Ideen zur Kommunikation mit Eltern, die wenig oder kein Deutsch sprechen
Seit ich in meiner Kita, die in einem Berliner Brennpunktkiez liegt, arbeite, habe ich mich mehr mit dem Thema "Leichte Sprache" auseinandergesetzt. Leider fehlte mir bisher die Zeit, die gewonnen Erkenntnisse umzusetzen. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, dies zu tun. Außerdem können wir auch mehr mit Bildmaterial arbeiten, denn einige unserer Eltern können gar nicht lesen. Eine meiner Kolleginnen hat in der vergangenen Woche zum Beispiel die Eingewöhnung in unserem Haus in Bildern dargestellt.
- Darstellung der Regeln bei Krankheitssymptomen in leichter Sprache und in Bildern
- Elternbrief für Eltern, mit denen eine Kommunikation am Telefon nur eingeschränkt möglich ist
- Welche anderen Prozesse sind für Eltern wichtig? Können wir diese in Zukunft auch in leichter Sprache verfassen und Bilder dafür anfertigen? Wer tut das? Bis wann?
Ideen, wie und was wir aus der Situation lernen können
Der beste Notfallplan ist der, der vor dem Notfall gemacht ist. Das gibt uns Handlungssicherheit, wenn ein Notfall eintritt, auch wenn wir niemals alles vorhersehen können. Daher sollten wir nach dem Notfall den Plan anschauen und anpassen. Die Maßnahmen, die daraus erarbeitet werden, werden mit Sicherheit höchst unterschiedlich sein. In unserem Haus wurde deutlich, dass wir in der Elternschaft nicht ausreichend vernetzt sind und damit nicht alle Eltern einfach erreichen konnten. Das werden wir nun nacharbeiten. Ebenso ist wie gerade schon beschrieben, dies eine Chance, bestimmte Dinge mit Eltern gemeinsam zu überarbeiten (Texte, Vorgehen bei Krankheit...).
Ich bin gespannt, welche Ideen und Gedanken meine Kolleg:innen in der nächsten Woche bereithalten und bin sicher, wir können mit einem Plan in die Wiedereröffnung gehen. Wenn sie weitere Ideen oder Fragen haben, freue ich mich über eine Nachricht.